„Anders ist einfach anders“ (2)

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die Sippe ist sehr wichtig

Eine weitere Sache bei den unterschiedlichen Kulturen (Madagaskar-Deutschland) nenne ich jetzt mal  die „Älter-Jünger-Kiste“. Auf dem Land  wird Älteren grundsätzlich nicht widersprochen. Jüngere müssen nicht alle Informationen erhalten und es wird quasi oft über sie „verfügt“. Z.B.  wo sie wohnen sollen (es kann sein, dass der Vater plötzlich sagt, das Mädchen soll bei der Tante wohnen). Oder was sie arbeiten sollen.

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Sehr junge Mutter (etwa 14), die früh verheiratet wurde, kurz nach der Entbindung in der Krankenstation

 

 

 

Die Töchter werden – in unseren Augen –  oft schon viel zu früh verheiratet. Widersprechen ist da nicht „Kultur-kompatibel“. Für uns „westliche Individualisten“ ein „no-go“. Dort zählt der Einzelne „nicht so viel“ – es zählt eher das Wohl der Gemeinschaft.

Dafür hat der Einzelne aber sein Leben lang das Sicherheitsnetz der Sippe.

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Die Reise hat begonnen

 

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Ochsenkarren „am Start“

Um nicht frustriert zu sein, bei solchen Einsätzen vor Ort, muss man das wissen. Die Leute dort waren oft einfach noch nie wo anders als in ihrem Dorf. Sie wiederum erleben uns manchmal als „starrsinnig und unangemessen neugierig“.

Zwei Beispiele. Es wird den Jugendlichen gesagt, dass nach dem Abendessen in Ambohitsara die Reise nach Port-Berger losgeht. Sie bereiten ihr Gepäck vor und warten, aber nichts passiert. Erst morgens um 1 Uhr werden die Ochsen angespannt, und Abfahrt war dann um 2Uhr nachts. Die Gründe und der Stand der Dinge sind irgendwie nicht – auch nicht nach mehrmaligem Nachfragen – rauszukriegen. Am Ende gehen die Jugendlichen frustriert schlafen. Und der (ältere) „Reiseleiter“ ärgert sich über so viel unangemessene Neugier: Junge Leute haben nun mal den älteren, weiseren Leuten Respekt und Vertrauen entgegenzubringen. Da bohrt man nicht dauernd nach, das ist unhöflich. Der wahre Grund der verspäteten Abreise war, dass der Projektdirektor gehört hat, dass sich „Dahalos“ (bewaffnete Banditen) in der Gegend rumtreiben. Da die Abfahrtszeit aber schon durchgesickert war (das geht dort blitzschnell), hat er die Abfahrt so lange verzögert, dass keiner mehr wirklich wusste, wann und ob die Reise jetzt wirklich stattfindet. So konnte ihnen keiner auflauern. Diesen Sachverhalt hat er aber damals keinem erzählt….

Das zweite Beispiel. Als ich noch nicht so gut Malagasy konnte, musste ich bei einem Einsatz jemand von Ambohitsara zur Hauptstadt begleiten. Ein Einheimischer war natürlich auch dabei. Ich habe dann von vornherein gesagt, dass ich nicht länger als 1 Woche bleiben will. „Ja,ja “ hieß es. In Tana (der Hauptstadt) ist es nämlich ziemlich langweilig. Man hat dort nichts zu tun und man darf auch nicht allein aus dem Haus gehen, wenn man die Sprache und Kultur nicht beherrscht. Aus Sicherheitsgründen. Nach einer Woche sagte Anatole, der Projektdirektor (und der ist auch mein Schwager, aber ich bin älter als er) – ja, er müsse noch etwas einkaufen. 2 Tage später sagt er, ja, die Abfahrt muss verschoben werden, er will am Wochenende noch zu einer Hochzeit. 2 Tage später (zur Hochzeit ist er nicht gegangen) – ja, er muss noch zum Zahnarzt. So ging das. Am Ende war ich 3 Wochen in Tana und ziemlich wütend über 3 Wochen „verplemperte Zeit“. Ein Madagasse hätte sofort verstanden, dass Anatole eigentlich jetzt mal 6 Wochen oder so,  Dinge in Tana erledigen will und muss. Das hat er aber nicht direkt gesagt, weil ich ja älter bin als er. Und weil er auch gemerkt hat, dass es mir wichtig ist, so bald wie möglich Tana wieder zu verlassen. Ich hab ihn wohl ziemlich genervt und bin mir „belogen“ vorgekommen. Glücklicherweise  habe ich dann eine Schwägerin von mir gefunden, die auch nach Port-Berger wollte und mich begleitet hat. Tatsächlich war Anatole 6 Wochen in Tana……

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Besichtigung eines landwirtschaftlichen  Betriebes 2011

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Besichtigung einer Praxis

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Einladung zum Essen

Deswegen ist es für uns sehr wichtig, dass die Projektleiter vor Ort regelmäßig alle paar Jahre zu uns nach Deutschland kommen. Damit stellen wir eine nachhaltige reibungsarme und zielführende Zusammenarbeit sicher. Klar, wir als Ausländer sind in der Pflicht, uns dort anzupassen bzw. uns zu integrieren. Aber es ist auch sehr wichtig, dass unsere leitenden Mitarbeiter erfahren, wie „wir ticken“. 2011 war das der Fall. Clement, Anatole und Dr. Roseline waren für 4 Wochen hier in Deutschland zu Besuch. Sie haben Schulen, Krankenhäuser und landwirtschaftliche Betriebe besichtigt und Projektleiter-Schulungen (von Benjamin) bekommen. Schon im Flugzeug waren sie erstaunt darüber, dass „sogar die Felder rechteckig und geometrisch sauber angeordnet sind“….. Ich denke mal, dass es bald wieder Zeit ist, für so einen Besuch….

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Projektleiter-Schulung in unserem Büro

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Besichtigung der Bibliothek im Gymnasium Königsbrunn

 

 

 

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