Das vergessene Land

Bongolava-Gebirge – früher „vergessenes Land“

Das Bongolava-Gebirge in Madagaskar ist eine ländliche Gegend, die früher von den Behörden und der Regierung „vergessen“ worden ist. Niemand hat sich darum gekümmert oder sich dafür interessiert. Noch dazu kommt, dass es eine sehr „dunkle“, okkult belastete Gegend war. Früher wurden die Rinderherden der Tsimihety-Könige ohne Beaufsichtigung dorthin zur Weide geschickt. Niemand hat sie gestohlen, weil die Gegend voll von Geistern war und niemand gerne dorthin gehen wollte.

Es gab keinen Arzt, kein Krankenhaus, keine ausgebildete Hebamme, keine Medikamente – nichts. Die Menschen, die dort schon immer gewohnt haben, waren ängstlich darauf bedacht, die Ahnen und Geister nicht zu verärgern. Sehr viele Leute – vor allem Kinder und Schwangere – sind an Krankheiten bzw. bei Geburten gestorben. Die Gegend war eben „vergessen“, „im Busch“, fern von der Zivilisation… Die „Starken“ haben überlebt, die „Schwachen“ sind gestorben. Bis heute gibt es jedes Jahr Epidemien, die eine Gefahr für das Leben der Dorfleute sind.

Seitdem das Missionskrankenhaus in Ambohitsara in Betrieb genommen wurde, ist das nicht mehr so. Die ganze Gegend um Ambohitsara herum, wurde transformiert und mit dem Evangelium von Jesus Christus durchtränkt – es ist buchstäblich „hell“ durch das Licht Christi geworden.

Die Behörden des Landkreises haben uns quasi die Aufgabe eines „Gesundheitsamtes“ übertragen. Das mobile Team des Missionszentrums fährt regelmäßig die Dörfer ab, testet die Menschen auf Malaria, impft, behandelt, berät, führt Hygiene-Aufklärungsarbeiten durch und vieles mehr. Die Behörden stellen uns zu diesem Zweck sogar einige Impfstoffe, Malariatests und Medikamente zur Verfügung. Die reichen zwar nicht, aber sie helfen uns enorm. Und zusätzlich stärken sie unseren Status in der ganzen Gegend.

Wenn jemand krank ist, dann muss er jetzt nicht mehr die lange Reise nach Port-Berger (8 Stunden zu Fuß oder per Ochsenkarre) antreten, sondern den meisten kann in Ambohitsara geholfen werden. Nur sehr komplizierte Fälle, die z.B. eine Bluttransfusion oder Operation erfordern, werden mit dem SADKO in die Stadt evakuiert.

Auch die werdenden Mütter kommen vermehrt zur Schwangerschaftsvorsorge, können im Missionskrankenhaus ohne Risiko entbinden und bringen ihre Kinder zu den Kinder-Vorsorge-Untersuchungen. Langsam verliert eine Entbindung für die Menschen ihren Schrecken – Geburtstage sind nicht mehr „Angst-Tage“, bei denen man nicht wusste, ob Mutter und Kind überleben.

Leider gibt es seit ca. 2 Monaten wieder eine Malaria-Epidemie auf dem Bongolava-Gebirge. Dr. Roseline hat mir folgendes darüber geschrieben: Es kommen sehr viele Kranke jeden Tag ins Missionskrankenhaus. 70 Prozent der Patienten haben Malaria. Ein Drittel davon sind Kinder. Erschwerend kommt hinzu, dass die Patienten (wie fast immer) gleich mehrere Krankheiten haben. Manche haben zusätzlich Amöben-Ruhr (Durchfall-Erkrankung) und Bilharziose oder Wurmerkrankungen. Es gibt sogar Leute, die haben alle diese Krankheiten gleichzeitig, was sie natürlich sehr schwächt.

 

Diese Epidemien treten leider so gut wie jedes Jahr auf. Die Menschen haben keine Toiletten. Sie gehen in den Busch. In der Regenzeit wird das alles in den Fluss gespült und „vergiftet“  das Wasser… Natürlich in Ambohitsara ist das normalerweise nicht der Fall. Dort gibt es ja die Wasserversorgung mit der Wasserleitung und mehreren Wasserstellen im Dorf. Die Epidemien in der Trockenzeit kommen aufgrund des niedrigen Wasserstandes zu Stande. Der Fluss trocknet aus, es bilden sich aber Pfützen  und kleine, stehende Gewässer. Die sind wahre Brutstätten für Bilharziose-Erreger und Malaria-Mücken. Das ist leider auch in Ambohitsara der Fall.

Aber was mich so sehr freut ist, dass die Menschen inzwischen gelernt haben , dass sie rechtzeitig ins Krankenhaus kommen müssen. Früher sind sehr viele Kinder gestorben, jetzt bringen die Eltern ihre Kinder, sobald sie Symptome bekommen. Nur in Ausnahmefällen sterben noch Kinder – in der Regel nur, wenn sie von sehr weit her, außerhalb unseres Wirkungskreises, kommen.

Das haben wir vor allem dem „1-Euro-Projekt“ zu verdanken. Die Eltern bezahlen fast nichts – etwa 500 Ariary (circa 10 Cent) –  für die Behandlung ihrer kranken Kinder, die unter 5 Jahre alt sind. Den Rest der Behandlungskosten zahlt das Missionszentrum aus dem „1-Euro-Fond“. Und das wird wirklich sehr stark in Anspruch genommen. Früher haben die Eltern sehr lange gezögert, ins Krankenhaus zu kommen, wegen den Behandlungskosten…. Obwohl die Kosten im Missionskrankenhaus vermutlich immer noch niedriger sind, als in Port-Berger oder Antsohihy. Die Eltern sind früher zum Schamanen gelaufen und erst wenn das nichts half, kamen sie ins Missionskrankenhaus. Aber meist viel zu spät, so dass die Kinder uns unter den Händen weggestorben sind.

Jetzt dagegen kommen die Menschen mit ihren Kindern gerne und auch rechtzeitig zu uns. Das ist wirklich sehr erfreulich und ein riesiger Fortschritt. Wir sind Gott sehr dankbar für diese Tatsache.

Vor Kurzem hat mir Dr. Roseline mitgeteilt, dass der Fond „leer“ ist. Sie haben sehr viele Malaria-Medikamente (bis zu 2,5 mal so viel wie sonst) verbraucht – die  regelmäßige Lieferung aus der Hauptstadt war schon sehr bald erschöpft.  Es kommen so viele Leute, dass sogar unsere Mitarbeiter sehr müde sind. Oft können sie erst gegen 15.00 oder später eine Pause machen und zu Mittag essen – was sehr belastend ist, wenn man bedenkt, dass sie sehr früh am Morgen anfangen zu arbeiten. Auch unsere Mitarbeiter aus dem Labor stöhnen unter der momentanen hohen Arbeitslast. Das Labor hilft uns sehr und wird von den Patienten jetzt intensiv in Anspruch genommen. Um irgendwie an neue Malaria-Medikamente zu kommen, mussten unsere Mitarbeiter danach in Port-Berger „suchen“. Wegen der Epidemie sind die aber rar „wie Gold“ geworden und kosten aktuell das 10-fache des normalen Preises.

Jesus hat uns in der Bibel aufgefordert, zu ihm zu kommen, weil er barmherzig, gnädig und voller Mitgefühl ist. Vor allem beladene Menschen, Leute die ein schweres Leben haben, denen es nicht so gut geht, mit denen „macht er sich eins“. Ein Beispiel dafür, ist die Sache mit Lazarus. Lazarus starb. Jesus hätte es verhindern können. Er tat es aber nicht, weil sein Vater im Himmel andere Pläne hatte. Er wollte, dass die Herrlichkeit Gottes noch größer an dem Ort erscheint. Aber gleichzeitig weinte Jesus am Grab von Lazarus. Man könnte jetzt sagen – warum denn, Jesus hat das doch anscheinend absichtlich herbeigeführt und er weiß doch genau, dass Lazarus in der nächsten Viertelstunde auferstehen wird. Aber die Sache ist: wenn es uns schlecht geht, dann lässt das Jesus nicht kalt. Wenn es uns schlecht geht, fühlt er sich auch schlecht. Es ist ihm nicht egal. Du bist ihm nicht egal. Die Menschen in Ambohitsara sind ihm nicht egal. Er sieht jeden einzelnen, jedes Schicksal, jede Not….

Hier habe ich noch eine andere Geschichte zu erzählen, wie Gott jemanden durch das Missionskrankenhaus buchstäblich aus den „Klauen des Todes“ gerissen hat. Sie erinnert mich an die Bibelstelle, in der es um den Samariter geht.

Einem Geschäftsmann (ich kenne seinen Namen leider nicht), der in Port-Berger sehr bekannt war, wurde angeboten, Mais in einer abgelegenen Gegend auf dem Bongolava-Plateau zu kaufen und dann in der Stadt wieder weiter zu verkaufen. Er war ein Großhändler und wollte wirklich sehr viel Mais kaufen.  Dieser Mann, der ihm das angeboten hat, war ein Bandit. Was der Geschäftsmann nicht wusste. Er hat mehrere Millionen Ariary (1 Euro ist ca. 5000 Ariary) von der Bank abgehoben und ist mit diesem „Geschäftspartner“ auf seinem Motorrad losgefahren. Irgendwann, als sie eine einsame Gegend erreicht haben, hat der Beifahrer angefangen, ihn von hinten zu würgen. Der Geschäftsmann dachte, das wäre nur Spass und hat gesagt: „hör auf, sonst stürzen wir noch“. Aber der Typ hat weitergemacht und wirklich das Motorrad an einer ganz bestimmten Stelle zu Fall gebracht. Im Gebüsch waren andere Banditen (Dahalos) versteckt, die sind rausgekommen und haben mit Macheten auf den Geschäftsmann eingeschlagen. Irgendwann haben sie ihn dann ausgeraubt und  halbtot liegen lassen. Sein Unterkiefer war fast abgetrennt, sein Kopf war verletzt, sein Bein, er hat massiv geblutet…

Irgendwann kamen Passanten vorbei (vergleichbar mit dem Leviten), sahen ihn, wollten ihm aber nicht helfen. Sie hatten Angst, dass man sie am Ende anklagen würde, dass sie den Geschäftsmann überfallen hätten.

Später kamen Fremde, 2 Männer aus dem Volkstamm der Antandroy, vorbei. Sie wollten ihn nicht anfassen, weil sie Angst hatten, dass ihre Fingerabdrücke auf dem Verletzten zu finden wären. Die Antandroy sind quasi ein Volksstamm von „Dahalos“. Wer noch kein Rind gestohlen hat, der gilt nicht als „vollwertiger Mann“. Rinderdiebstahl (was die Dahalos üblicherweise machen) ist wirklich ein Volkssport bei denen.

Die 2 machten einen Umweg nach Andranomena und erzählten den Behörden von dem Überfall. Der Typ, der ihn in diese Falle gelockt hatte, hat auch die Frechheit besessen, die Frau des Geschäftsmannes anzurufen und ihr zu sagen, dass sie überfallen worden wären, dass er entkommen konnte, aber ihr Mann wäre fast tot und läge in der Wildnis, nahe Andranomena. Die Frau hat dann einen Traktor organisiert, um ihn zu holen. Sie fand nur noch das Motorrad vor, weil inzwischen aber schon die 2 Antandroy mit den Behörden von Ambohitsara an den Ort gekommen waren und den Mann nach Andranomena gebracht hatten. Ein befreundeter Arzt riet ihnen, den Mann nicht nicht mit diesem Traktor nach Port-Berger zu  bringen, sondern ihn zum Missionskrankenhaus nach Ambohitsara zu bringen.  Was sie dann auch taten.  Dort wurde er zuerst stabilisiert, provisorisch genäht und dann mit dem SADKO innerhalb von 2 Stunden nach Port-Berger evakuiert. Seine Verwandten haben ihn dort in Empfang genommen und ihn gleich in die Provinzhauptstadt Majunga bringen lassen.

Die Familie des Geschäftsmannes kam einige Tage später zu Benjamins Mutter, die in Port-Berger lebt und hat sich bedankt. Fast jeder in Port-Berger kennt Benjamins Mutter, weil das Missionszentrum immer mit ihr in Verbindung gebracht wird. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich das nächste Mal erzählen werde. Auf alle Fälle sagten sie, dass der Mann es überlebt hat. Ohne das Missionszentrum hätte er es nicht geschafft. Der Transport mit dem Traktor hätte zu lange gedauert – fast 8 Stunden, genauso wie auf einer Ochsenkarre.

Da dieser Mann ein sehr bekannter Mensch in Port-Berger ist, denke ich, dass Gott uns hier eine sog. „strategische Begegnung“ ermöglicht hat. Er war in Not, wir haben ihm (genauso wie allen anderen Leuten auch) geholfen und mal sehen, was Gott daraus macht.

Gerne kannst auch Du Dich an Gottes Wirken in Ambohitsara und Umgebung beteiligen. Durch Deine Gebete, auch durch Weitersagen unserer Arbeit und durch Spenden. Wer gerne möchte, kann sich einmalig oder auch regelmäßig für das 1-Euro Projekt engagieren, was jetzt, in der Epidemie-Zeit, dringend gebraucht wird.

Die Menschen im Bongolava-Gebirge sagen:

Misaotra betsaka, vielen Dank!

 

 

 

 

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2 Antworten zu Das vergessene Land

  1. Christa Schellartz sagt:

    Ich habe eine supergute Nachricht für Euch:
    das schnellste, beste, preiswerteste und nebenwirkungsfreie Anti-Malariamittel ist
    Artemisia annua (Einjähriger Beifuß), der auch bei Euch in A. angebaut werden kann!
    Der schwäbische Apotheker Dr. H-M Hirt hat im Kongo damit begonnen; in Uganda hatte das Internat. Rote Kreuz eine Untersuchungsreihe überwacht und die Malariawirksamkeit bestätigt (wird alles geheimgehalten, da Pharma das nicht will!!!).
    In Kontakt treten mit Dr. Hirt: http://www.anamed.org http://www.anamed-edition.com
    anamedhmh@yahoo.de Vieeeeel Erfolg und des HERRN Segen!

    • Doris sagt:

      Hi Christa,
      ich weiß 🙂 Wir versuchen gerade, es in Ambohitsara anzubauen. Dieses Medikament wird auch offiziell in Madagaskar verwendet, vor allem auch in unserem Krankenhaus. Wir versuchen auch, es unseren Schulkindern als Prophylaxe zu geben. Aber es braucht noch Zeit….Mit Dr. Hirt habe ich schon einmal per Email kommuniziert. Auch mit Leuten aus seinem Team vor Ort in Madagaskar. Ich baue es auch privat in meinem Garten an und benutze es als Malariaprophylaxe, wenn ich vor Ort in Madagaskar bin.
      Liebe Grüße
      Doris

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