Junge Mütter

Von Müttern, die eigentlich selber noch Kinder sind…

Vor allem in den Dörfern, sehr weit von Ambohitsara sieht man, dass es kaum Bildungseinrichtungen gibt. Manche Mamas auf den Bildern, (i.d.R. alle verheiratete Frauen) sind oftmals erst 13, 14 Jahre alt.

Mit 18 gilt ein Dorf-Mädchen als „Sitzengeblieben“ oder „alte Jungfer“, wenn sie nicht verheiratet ist. Unsere Tochter wurde bei ihren Einsätzen oft gefragt: „Kira, wie viele Kinder hast Du?“ Als sie dann sagte „noch keins“ war das für die Mädels ziemlich „unglaublich“ ….

In so jungem Alter schon Kinder zu bekommen, ist auch vom medizinischen Standpunkt aus nicht so ohne . Ich habe es letztes Jahr  öfter erlebt, dass  junge Mütter einen Kaiserschnitt bekommen mussten, weil das Baby nicht durch das kleine (noch nicht ausgewachsene Becken) der jungen Frauen gepasst hat!

(zum Vergrößern der Bilder bitte auf dem Bild doppelklicken)

Die Bilder unten wurden vor kurzem bei einem Einsatz der mobilen Klinik in den Dörfern Analakonjy und Ambanjabe gemacht. Diese Dörfer liegen südwestlich von Ambohitsara. Man braucht (schätzungsweise) 4 bis 8 Stunden mit dem Ochsenkarren dorthin. Wegen der weiten Entfernung zur nächsten weiterführenden Schule endet die Schulbildung der dortigen Dorfschule meist nach der 3. oder 4. Klasse. Deswegen werden die Mädchen, um zum Unterhalt der Familie durch das Brautgeld  beizutragen, früh verheiratet und bekommen dementsprechend früh Kinder.

 

Den typischen Werdegang einer madegassischen Familie auf dem Land kann man sich so vorstellen:

Familie X hat 8 Kinder. Sie wohnen in einer winzigen Hütte in einem der Dörfer auf dem Hochplateau des Bongolava-Gebirges.

Anfangs ist das noch ein „wildes“, freies Leben für die Kinder. Sie spielen den ganzen Tag – mit selbst gebastelten Spielsachen, z.B. Fußbällen aus Plastiktüten  oder Figuren aus Lehm. Oder miteinander, indem zwei  die Ochsen spielen und der dritte den Ochsenkarren-Fahrer. Sie gehen auch in den Wald und „jagen“ kleine Vögel oder Fische, die sie dann über einem Feuerchen braten und essen.

Irgendwann müssen sie dann doch zur Schule – auch in Madagaskar gibt es Schulpflicht – aber meistens ist das nur 1 kleiner Raum für alle Schüler des Dorfes. So war es auch vor der  Zeit des Missionszentrums in Ambohitsara. Der Dorf-Lehrer  unterrichtet alle Jahrgänge. Oft gibt es keine Schule, weil der Lehrer keine Zeit hat. Oder die Schüler ihm als „Schulgeld“ auf seinem Feld helfen. Was ja auch verständlich ist: der Lehrer bekommt  kein Gehalt vom Staat und irgendwie muss er ja auch leben können…

Nach Ende der Schulzeit, mit ca. 9 bis 10 Jahren werden die Jungs zu „reicheren“ Familien zum Rinderhüten geschickt, um zum Einkommen der Familie beizutragen. Sie bekommen jedes Jahr dafür ein Kalb.

Außerdem lernen sie bei ihren Eltern, wie man Reis, Mais, Maniok, Gemüse, Erdnüsse, Süßkartoffeln u.a. anbaut.

Sie wissen auch, wie man Lehmhütten baut. Das lernen sie meistens von der Dorfgemeinschaft. Wenn jemand ein Haus bauen will, ruft er das Dorf zusammen und alle helfen mit. Der „Baumeister“ muss nur für das Material und das Essen sorgen.

Die Mädchen passen ab dem  Alter von ca. 9 – 10 Jahren auf ihre kleinen Geschwister auf und lernen wie man Babys aufzieht. Auch im Bereich Kochen, Waschen, Gemüseanbau und Sauberhalten der Hütte übernehmen sie Verantwortung.

Wenn die Mädchen 12 bis 14 Jahre alt sind, suchen die Eltern oft einen Ehemann für sie aus. Es hängt von der Familie ab, ob die Mädchen ein Mitspracherecht haben. Wenn sie Pech haben, dann haben sie das nicht und die Eltern verheiraten sie manchmal sogar mit einem älteren Mann. Ich habe es leider schon einmal gesehen, dass ein Mädchen einen Opa heiraten musste…..So gut wie nie wird standesamtlich geheiratet. Die Mädchen haben meistens keine Rechte, wenn der Ehemann sie nach einigen Jahren verlässt. Was gar nicht so selten vorkommt. Sie stehen dann allein mit den Kindern da und haben kaum Bildung erworben. Oft kehren sie dann zu ihrer Sippe zurück und versuchen so sich und ihre Kinder irgendwie durch zubringen.

Wenn die Ehe „gut geht“ bekommen sie selber – wie schon erwähnt – sehr früh eigene Kinder. Die Familie bebaut dann meistens Land – i.d.R. in der Nähe der Sippe des Ehemannes.

 

Mit der Hope Schule ist in Ambohitsara alles – im positiven Sinn – anders geworden. Die Jungs und die Mädchen können bis zum Abitur zur Schule gehen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass sie später im Missionszentrum angestellt werden: viele unserer Grundschul-Lehrer/Lehrerinnen sind ehemalige Schüler/Schülerinnen. Einige Ex-Schüler haben vom Missionszentrum ein Stipendium bekommen. Z.B. Sergino – er wird Laborant – (in Madagaskar ist das ein Studiengang). 2 ehemalige Schüler sind in der Schulkantine beschäftigt und machen daneben noch ein Fernstudium….

In meinen früheren Blogeinträgen habe ich auch schon von dem „Moletry Programm“ berichtet: Wenn die Schülerinnen und Schüler eine sehr gute Leistung abliefern, können sie jedes Jahr u.a. einen Geld Bonus, der dem Brautpreis entspricht, bekommen.

Wir konnten beobachten, dass es in Ambohitsara viel weniger sehr junge Mütter gibt, als anderswo. Und es gibt im Missionszentrum ein Programm, das es jungen Mädchen, die ungewollt schwanger wurden, ermöglicht,  nach der Entbindung wieder zur Schule zu gehen.

Aber auch Dorfkinder, die nur mit der Mittleren Reife abgeschlossen haben, haben bessere Chancen. Sie bekamen in der Schulzeit die Grundlagen der Landwirtschaft, Betriebswirtschaft, Biologie und andere wichtige Dinge beigebracht. Auch praktisch haben sie von klein auf gelernt, wie man z.B. Bäume pflanzt, warum das wichtig ist und dass man die allgegenwärtige Brandrodung auf alle Fälle unterlassen sollte.

Vielen Dank an alle Beter und Spender. Ohne Euch würde es viel mehr Mütter in Ambohitsara und Umgebung geben, die eigentlich selber noch Kinder sind. Besonders die  Mädchen haben durch Euren Einsatz eine gute Chance, ihr Leben selber in die Hand zu nehmen und einen Beruf, mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdienen können, auszuwählen. Für sie ist es so ein Geschenk, überhaupt eine Wahl zu haben….

Sie sagen „Misaotra betsaka“, vielen Dank.

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